Ich werde immer wieder gefragt, was eigentlich die einzelnen Shibari-Stile ausmacht oder wie sie sich unterscheiden. Die Antwort darauf ist nicht immer einfach oder leicht zu geben, aber als ich neulich mit meinem Modell genau darüber gesprochen habe, hat sie es so schön gesagt, dass ich sie gebeten habe, es aufzuschreiben.
Osada-Ryû ist sicher einer der bekanntesten Stile, und auch das Yukimura-Ryû hat in der Harukumo-Juku sein Zuhause gefunden.
Die folgenden Texte sind genau so, wie sie sie mir geschickt hat und ich möchte sie gerne mit ihrem Einverständnis Euch auch zugänglich machen. Mein Verständnis für die Shibari-Stile hat sich durch dieses Gespräch stark erweitert.
Yukimura-Ryû
Diese Art des Fesseln stellt für mich eine grosse Herausforderung dar und widerspiegelt die Unterwerfung. Die Interaktion ist oft auf ein Minimum reduziert und die Signale, die von dir an mich gelangen sind subtil. Schliesse ich die Augen, so fühle ich mich oft ganz alleine. Weil du mich in meinem Kopf alleine lässt. Ich muss die „Stille“ aushalten und achte auf jede Kleinigkeit. Und jedesmal muss ich selber entscheiden, ob ich warte oder nicht. Ob ich etwas probiere oder nicht. Jede Anweisung ist dann wie eine Erlösung. Eine Erlösung, die du kontrollierst, und wie eine Verdurstende nehme ich sie entgegen. Du bist das Zentrum von dem was passiert, oder eben nicht passiert.
Ganz schwierig wird es, wenn du mich zwingst, mich von dir wegzudrehen. Ich kann dich nicht sehen, nicht spüren und wenn ich dann versuche, mein Gesicht zu dir zu drehen, so stösst du es mit dem Fuss weg. Yukimura-Ryû tut in der Seele weh, nicht körperlich. Die Emotionen finden in meinem Kopf statt. Und du als Fesselnder weisst das. Warum denn sonst die tröstenden Worte und Gesten? Wenn dann die Berührungen und die Interaktion endlich zunimmt, dann ist es überwältigend und von einer ganz einen Art der Lust geprägt. Dafür Worte zu finden gelingt mir nicht.
Dadurch, dass diese Art zu fesseln so intim ist, fühlt es sich umso entblössender an, wenn du dann das Oberteil nach unten schiebst und alle es sehen können. Vor allem dann, wenn ich nur eine Handfessel trage. Ich könnte aufstehen und davon laufen. Tue es aber nicht. Fast immer hätte man genug Spielraum, sich wegzudrehen. Die Scham liegt nicht im Entblößt werden, sondern im Aufgeben. Irgendwie lässt man es zu. Es ist ein freiwilliges Unterwerfen und alle können es sehen. Im Nachhinein ist das oft schwierig für mich zu akzeptieren. Klar, du würdest unterbinden oder sanktionieren, wenn ich meinen zugewiesenen Raum verlasse. Aber soweit denke ich in diesem Moment schon lange nicht mehr.
Osada-Ryû
Diese Art zu Fesseln widerspiegelt für mich die Hingabe. Es wird still im Kopf. Es ist wie eine Erlösung. Es ist die Kompression, die Hilflosigkeit und der Schmerz. All das nimmt den Platz im Kopf ein, wo sonst die Gedanken sind.
Es sind Ankerpunkte, auf die ich mich so stark konzentrieren kann, bis alles um mich herum verschwindet. Es gibt die anderen im Raum nicht mehr. Nur noch diese Situation und diese Gefühle, die du dann auslöst.
Es ist befreiend, weil ich habe die Verantwortung schon lange nicht mehr. Ich kann es geschehen lassen. Das bedeutet auch, dass ich die Lust und die Leidenschaft zulassen kann. Egal wer sonst noch anwesend ist. Grenzen scheinen nicht mehr zu existieren. Es ist wie ein Rausch der mich völlig unerwartet trifft und ich verstehe auch absolut nicht woher das kommt. Es ist nicht weniger Intim als Yukimura-Ryu. Aber ich kann die Sicherheit in den Seilen und in der Hilflosigkeit finden. Man unterwirft sich nicht, man wird unterworfen. Für mich persönlich ist das viel einfacher.
Shibari-Stile – Für jeden das Passende
Es gibt, wie Ihr seht, grosse Unterschiede in den Stilen. Diese haben verschiedene theoretische Grundlagen, zu denen wir auch hier noch ein paar Infos haben… es bleibt spannend!