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Die Shibari-Erkenntnis

Shibari funktioniert auf eine gewisse Weise. Es gibt eine innere Logik, und ästhetische Prinzipien. Bestimmte Fesseltechniken prägen den Umgang zwischen den Beteiligten. Gleichzeitig bringen wir alle bestimmte Erfahrungen mit. Aus unseren Beziehungen, unseren Hobbies, unseren früheren Erlebnissen, kurz: unserem gesamten Leben. Doch wie kommen wir denn zur „Shibari-Erkenntnis“?

In den Lessons habe ich bemerkt, dass Ihr alle Euch Shibari anders zu eigen macht. Wir alle greifen beim Lernen auf ganz bestimmte Erfahrungen zurück, um die Fessel-Situationen zu begreifen und in den eigenen Erfahrungshorizont einzubetten.

Manche von Euch orientieren sich am Tanzen. Das bedeutet, Ihr konzentriert Euch auf elegante, weiche, rhythmische Bewegungen. Und Ihr seid dabei sehr auf den Partner und seine Bewegungen konzentriert. Andere setzen komplexe visuelle Bilder um und ziehen Ihr Verständnis aus der visuellen Ebene. Ich selbst orientiere mich an den Gefühlen, die in mir ausgelöst werden.

Für mich als Lehrer ist es eine der grössten Herausforderungen, Euren Erfahrungshintergrund in Eurem Fesseln zu sehen, zu erkennen, und wertzuschätzen, denn dieses macht einen wichtigen Teil Eures Stils aus und trägt massgeblich zu Eurer Qualität als Fesselnde bei.

Wir alle haben andere Wege zur Erkenntnis. Ich selbst lerne nicht besonders viel daraus, mir Bilder oder Videos anzuschauen. Dafür lerne ich viel, wenn ich mit anderen zusammen Techniken ausprobiere. Wichtig ist dabei, dass es nicht „bessere“ oder „schlechtere“ Wege zur Shibari-Erkenntnis gibt. Das, was für mich funktioniert, ist das, was ich tun sollte.

Wer sehr gut visuell lernt, sollte sich mit dem Konzept des „Minarabi“ vertraut machen.

Nawagokoro

Nawagokoro – Ropesoul

A friend of mine from Buenos Aires, Harutsubaki-san, asked me to write a little something about this concept. First of all, I might have to concede that „nawagokoro“ is not a fixed concept, but rather a poetic, metaphorical expression. It describes a certain attitude or intuitive understanding of tying which is not easily learned or explained. I have no idea where or when it originated, but I think I migth have had some influence on it since I think I mentioned it to some people in the mid 2000s in Japan.

The term is a combination of two nouns: „nawa“ (rope) and „kokoro“. „Kokoro“ is an ambigious and interesting word. It can literally mean „heart“, „soul“, „spirit“ and „mind“. Depending on the circumstances, it emphasises physical or emotional/metaphysical aspects of „heart“. I think the most appropriate translation might, in this context, be „heart“, referring to the romantic image of the (physical) heart being the seat of the human soul or emotions.

A gifted bakushi does not only need to understand the rope technique, the patterns and all these technical elements, but equally important is the ability to understand the feelings of his partner. Nawagokoro expresses a special talent to quickly understand technical aspects and at the same time graps how these techniques influence his/her partner. But nawagokoro is more than that. Nawagokoro is also the passion for rope, a deep inner motivation to tie and more than that to connect through rope with another human being. Well, at least this is how I understand it.

Tying is a delicate process. The important thing about it is not merely to tie the body, but to tie the mind, the „kokoro“. I think that the most important part in tying is indeed interpersonal communication and the prerequisite for successfull communication is, in my opinion, empathy.

Someone with the „nawagokoro“ has empathy, technical understanding and can use his/her desire to create and enhance a very special feeling in his/her partner and any audience. To a degree, all these elements can (and need) to be practiced or trained (ideally with supervision from an experienced teacher). But some people bring more of it with them, even without ever having touched a rope, than others who might have tied for years already. Most of those gifted, rare creatures have „nawagokoro“, just like some people almost effortlessly learn languages or excel at sports.

This might sound like an unfair thing and, even worse, as a cheap trick to establish a category to draw a line between „good“ and „bad“ tiers. If someone steps on your toes, just discredit him by stating that no matter how skilled he might be, he lacks „nawagokoro“ and therefore will never understand the „true“ meaning of it all. There is a risk of this happening, yes, but that is neither what the idea is about nor what it should be used to. I prefer to think of Nawagokoro rather as an honorific term that is attributed to those we chose as our role models simply because we know that they have it when we see them tie.

Be open. Be frank. Be fair. Be quiet and admire the beauty of kinbaku whereever you encounter it.

Bakushi? Nawashi? Rigger?

Es gibt schon länger Diskussionen um die „richtige“ Bezeichnung für die Person, die fesselt. Ich glaube, es gibt hier keine eindeutige Antwort (wie so oft), aber es gibt ein paar Aspekte, die man bedenken sollte.

Meiner Meinung nach gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen „Nawashi“ (縄師) und „Bakushi“ (縛師). „Shi“ heisst in beiden Fällen „Lehrer“ oder „Meister“, eine gängige Bezeichnung für Menschen, die ein spezielles Wissen haben oder über spezielle Fähigkeiten verfügen. Experten, in gewissem Sinne, mit einer Konnotation die sich mit dem Lehren diesen Wissens befasst. Die zweite Hälfte des Worts ist also schonmal gleich, das macht es etwas einfacher.

„Nawa“ bedeutet „Seil“, „Baku“ steht für „Eng fesseln“. Wir haben es also, rein von der wörtlichen Übersetzung, entweder mit einem „Seilmeister“ oder einem „Fesselmeister“ zu tun. Klingt jetzt erst einmal nicht so, als ob da ein grosser Unterschied bestünde… und meiner Erfahrung nach besteht der auch nicht. Es gibt verschiedene Interpretationen in Japan und vielleicht lässt sich da durchaus ein Trend ableiten: Der „Bakushi“ berauscht sich und sein Publikum an der Seilkunst, der „Nawashi“konzentriert sich auf die Kommunikation mit dem Partner und zaubert Emotionen hervor. Eine andere Unterscheidung besagt, dass der „Nawashi“ seine Seile selbst macht oder zumindest bearbeitet, während der Bakushi mit nur oberflächlich oder garnicht behandelten Seilen sich „nur“ aufs Fesseln konzentriert.

Ich glaube allerdings, dass diese Unterscheidungen aus zwei Quellen stammen. Einerseits ist Shibari in Japan Teil einer gut ausgebauten, kommerziellem Druck unterliegenden Pornoindustrie. Es herrscht Innovationsdruck und dazu braucht es immer neue Begriffe. Möglicherweise kommen die unterschiedlichen japanischen Begriffe einfach daher, dass „Bakushi“ härter klingt (wg. der Konnotation von „eng fesseln“) als „Nawashi“ oder die sprachliche Nähe zu „Kinbaku“ (緊縛) grösser ist. Die unterschiedlichen Erklärungen, die JapanerInnen heute abgeben, könnten aber auch daher kommen, dass irgendwann ambitionierte Ausländer gezielt gefragt haben, ob es einen Unterschied gibt… und auf einmal mussten die Japaner selbst über etwas nachdenken, das vielleicht vorher einfach nur so war wie es war.

„Rigger“ ist spannend. Dazu weiss ich nicht viel, aber ich finde die „technische“, professionell wirkende Bezeichnung interessant. Es scheint auf eine technisch versierte Person mit Spezialwissen zu verweisen, die aber eben auch irgendwie nicht sonderlich nach Nähe, Emotionalität, Verbundenheit klingt. Bevor ich mich aus dem Fenster lehne, lasse ich an dieser Stelle mal das wilde Assoziieren sein. In jedem Fall ist es möglich, dass die grosse Bedeutung die der technische Aspekt von Shibari zumindest in Europa hatte und hat, sich auch in der Bezeichnung „Rigger“ ausdrückt.

 

 

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