Kategorie: Shibaribegriffe Seite 3 von 4

Ri

Ri (理) ist eine Längeneinheit, die ca. 3,9 Kilometern entspricht. Als Längenmass wird es oft für die Messung von Distanzen, zum Beispiel zwischen Städten, verwendet und ist ähnlich wie die englische Meile oder der deutsche Kilometer das Standardmass dafür. Heute wird in Japan generell das metrische System verwendet, in Romanen jedoch findet sich noch häufig das Ri als Distanzangabe.

Es ist Teil des japanischen Shakkanhô-Systems, mit dem Längen, Flächen, Volumina, Gewichte und Geld gemessen wurden.

Seme

Seme (責め) bedeutet „Folter“ oder „Qual“ und bezeichnet restriktive oder schmerzhaftes Shibari. Traditionelle Muster, wie der Gyaku-Ebi (逆海老吊り) fallen zum Beispiel darunter.

Der Begriff stammt aus dem japanischen Mittelalter und kommt dort auch im Theater vor. Im Kabuki-Theater der Edo-Zeit wurden so besonders grausame Todes-Szenen bezeichnet. Damit ist die Verwandtschaft von Shibari mit dem Theater auch in dieser Technik erhalten.

Die künstlerische Darstellung von Schmerz ist also Teil der Performance.

Von Tadakiyo (Hasegawa Kanbee XIV) (1847–1929) - Museum of Fine Arts, Boston, online database, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38440404
Kabuki-Schauspieler auf einem Plakat

Schmerz spielt jedoch in Japan eine andere Rolle als in Europa und den USA. Im Westen wird Seme oft als „schmerzhaft“ verstanden. Ebenso wichtig sind Kompression, und restriktive Körperhaltungen. Zahlreiche Shibari-Stile enthalten darum komplexe Muster, die stetig steigende Seilspannungen enthalten.

Suspension mit Seme. K2-Salon, 2016.
Suspension mit Seme

Seme kann mit grosser emotionaler Nähe, aber auch sehr distanziert und „kühl“ eingesetzt werden. Es kommt in jedem Stil vor. Selbst im Yukimury-Ryû, das für sein „streichelndes Seil“ (Aibu-nawa, 愛撫縄) bekannt ist, spielt es eine Rolle. Seme hat also eine körperliche, emotionale und verbale Dimension.

Im Yukimura-Ryû spielt dabei die so genannte Kotoba-zeme eine wichtige Rolle. Dabei muss es nicht um verbale (gespielte) Herabwürdigung gehen, sondern es kann auch einfach eine starke emotionale Reaktion durch intensives Flüstern oder Atmen erzeugt werden. Es gibt eine Verbindung zwischen dem Kotoba-zeme und dem Einsatz des Ki (気), wenn beides mit dem Atem verbunden wird.

Semenawa

Semenawa (責め縄) bedeutet „Folterseil“ und wird oft so übersetzt. Je nach Fesselstil (流, Ryû) kann es jedoch abweichende Bedeutungen geben. Körperlicher Schmerz spielt eine grosse Rolle, ist jedoch nicht das einzige Element.

In Europa und den USA wird Semenawa oft mit schmerzhaften Mustern und Suspensions assoziiert. Dabei spielt der kulturelle Hintergrund eine grosse Rolle. Die Übersetzung „Folterseil“ erinnert an mittelalterliche Folterpraktiken, so dass Schmerz ein naheliegendes Thema ist. Gerade Menschen mit einem Hintergrund im BDSM betonen diesen Aspekt häufig. Dies greift jedoch zu kurz. Semenawa ist komplexer und subtiler und weit mehr als nur ein Weg, um mit Seilen Schmerz zu erzeugen.

Ishidaki-Folter der Edo-Zeit.
Ishidaki-Folter aus der Edo-Zeit

Das japanische Wort für mittelalterliche Folter ist Gômon (拷問), was dem deutschen Begriff „hochnotpeinliche Befragung“ entspricht. Die mittelalterliche Folter ist also etwas anderes als reines „Seme“, inspiriert aber im Shibari viele Positionen und Muster.

Im Grunde gibt es zwei Ebenen, die unterschieden werden müssen. Die technische Ebene, also was mit dem Seil gemacht wird, und die emotionale Ebene, also was im Kopf von Ukete erzeugt wird.

Körperliche und mentale Aspekte von Semenawa

Körperlich ist Semenawa grundsätzlich fordernd. Das heisst, es wird restriktiver, enger, mit mehr Seil gearbeitet. Die Körperhaltung wird oft durch das Seil geschaffen und fixiert, so dass wenig Bewegungsspielraum bleibt. Das Seil erzwingt eine Haltung, auch wenn sie anstrengend oder unangenehm ist. Der Körper spürt den Druck, Kompression und Enge im Muster sind ebenfalls wichtige Aspekte dabei.

Mental erzeugt Semenawa ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit. Ukete spürt, dass etwas mit ihm/ihr geschieht, das sich der eigenen Kontrolle weitgehend entzieht. Bakushi formt und führt und folgt dabei dem eigenen Plan, das Seil ist das Werkzeug, das diese Vision realisiert.

Ukete spürt, wie ausweglos die Lage ist und muss die Situation ertragen. Das Ertragen ist hier zentral und bezieht sich nicht nur auf Schmerzen. Die Situation als Ganzes muss einfach ausgehalten werden, egal, wie entblösst, hilflos oder ausgeliefert Ukete ist.

Das Leiden als Motiv

Es geht also um das Leiden als zentrales Element. Ukete soll etwas erdulden, und das nicht nur auf einer Ebene, sondern ganzheitlich. Gezielt körperliches Leid zu betonen, um später eher zu entblössen und so das mentale Leid zu betonen, kann einen besonderen Reiz entstehen lassen, wenn Ukete bereit ist, dem zu folgen.

Wenn es eine starke Präferenz für körperliches Leiden gibt, ist es sinnvoll, sich auf diesen Aspekt zu konzentrieren. Wenn Ukete eher für mentales Leiden oder ambivalente Gefühle empfänglich ist, sollte dieser Aspekt betont werden. In jedem Fall ist beides seme, unabhängig davon, ob es sich um Bodentechniken oder Suspensions handelt oder welches Muster man wählt.

Shakuhachi

Shakuhachi (尺八) heisst eine traditionelle japanische Bambusflöte. Der Name kommt von der Länge des Instruments, das aus einem Shaku und ach Sun besteht. Die Standardlänge beträgt damit circa 54.5cm. Es gibt verschiedene Längen, was die Tonhöhe beeinflusst, was aber fürs Shibari keine Rolle spielt.

Die Shakuhachi ist natürlich ein Musikinstrument, wurde aber auch als Hilfsmittel für Meditation verwendet. Die Flöte wurde also entweder als Unterhaltungsinstrument oder als religiöses Objekt verwendet. Auch das Shibarimuster kann zur Unterhaltung oder mit meditativem Ziel verwendet werden.

Das Muster ist also kulturell unterschiedlich interpretierbar. So, wie sich die eigene Haltung verändert, kann auch die Interaktion unterschiedlich sein.

Sun

Sun (寸) ist eine traditionelle japanische Längeneinheit, die etwa 3.3 cm entspricht. Zehn Sun sind ein Shaku. Diese Masseinheit ist nicht mehr gebräuchlich, in Japan gilt das metrische System. Traditionelles Handwerk produziert allerdings immer noch Gegenstände, die den traditionellen Längen entsprechen. Ein Beispiel ist die traditionelle Bambusflöte (Shakuhachi) oder auch das rechteckige Handtuch Tenugui.

Takatekote

Takatekote (高手小手) heisst ein klassisches Shibari-Muster. Es ist eines der bekanntesten und verbreitetsten Muster. Dabei werden die Unterarme mindestens horizontal übereinander gelegt und mit einem „Single Column Tie“ zusammengebunden. Danach werden mehrer Lagen um den Oberkörper gewickelt und am Rücken fixiert. Dieses Muster wird in fast allen Schulen unterrichtet und unterscheidet sich immer in gewissen Punkten.

Der Takatekote (kurz: TK) enthält alle wesentlichen Grundelemente des Shibari. Dieses Muster ist gewissermassen wie ein Alphabet der Grundtechniken. Darum wird auch so viel Zeit darauf verwendet, es zu unterrichten. Neben den Techniken bietet es auch viele Gelegenheiten, mit dem Partner zu interagieren.

Es ist eines der stabilsten und am weitesten entwickelten Muster im Shibari. Daher wird der TK auch für zahlreiche fortgeschrittene Suspensionen und Transitionen verwendet.

Durch die symmetrische Struktur und weil der TK den ganzen Oberkörper umschliesst ist es einfach, Verzierungen („Kazari“) anzubringen. Damit wird der Takatekote auch zu einer soliden Grundlage für längere Sesssions oder Performances und kann immer anders aussehen.

Tension

Tension bedeutet wörtlich „Spannung“. Meist wird damit die Seilspannung gemeint, also wie eng oder locker gefesselt wird. Im Yukimura-Ryû bezieht sich das allerdings auch auf die emotionale Spannung im Modell und dem Bakushi. Beide Aspekte beeinflussen sich gegenseitig und können benutzt werden, um intensive Stimmungen zu erzeugen.

Das komplexe Verhältnis zwischen der Seilspannung und der emotionalen Spannung eröffnet ein eigenes Spielfeld, mit dem sich bereites ganze Sessions gestalten lassen. Wie in vielen anderen Fällen auch sind die Parameter enge/lockere Fesslung und niedrige/hohe emotionale Spannung beliebig kombinierbar.

Tenugui

Tenugui (手ぬぐい) sind schmale, rechteckige Handtücher. Sie sind 30 cm breit und 90 cm lang und aus dünner Baumwolle gefertigt. Tenugui werden unterschiedlich gefärbt oder bedruckt. Es gibt zwei Arten von Motiven: traditionelle Musterungen oder Bilder. Klassische Muster sind zum Beispiel gepunktete Mame-shibori oder Hishi-Formen.

Als Motive sind besonders Tiere oder Pflanzen, Familienwappen (Kamon, 家紋), traditionelle Karikaturen (Chôjû-jinbutsu-giga, 鳥獣人物戯画) oder Motive von Holzschnitten (Ukiyoe, 浮添え) beliebt. Es gibt zahlreiche traditionelle Muster, wie das gepunktete Mame-Shibori (豆絞り) , aber auch Wellen oder stilisierte Pfanzenblätter sind verbreitet.

Kendo-Kämpfer tragen sie unter dem Helm, um den Schweiss aufzufangen. Manche besonders schönen Tenugui werden auch als Bilder an die Wand gehängt.

Tenugui sind im Shibari als Augenbinden sehr nützlich. So fällt es den Ukete einfacher, sich auf die nonverbalen Kommunikation zu konzentrieren. Viele Bakushi nutzen Tenugui, um mit verbundenen Augen Pattern zu üben.

Teppô

Als die ersten Portugiesen im 16. Jahrhundert in Japan ankamen, führten sie bald Schusswaffen alias Teppô ein (鉄砲). Es sind diese Gewehre, die über die Schultern der Soldaten geschlungen wurden, die zuerst den Teppô-Shibari ( 鉄砲縛り) und später den Teppozuri (鉄砲吊り) alias Gewehraufhängung inspirierten.

Teppô-Shibari im Studio SIX.
Teppô-Shibari

Diese Aufhängung wurde durch den verstorbenen Shibari-Großmeister Akechi Denki (明智伝鬼) populär gemacht und ist sowohl auf Bühnen als auch im privaten Bereich sehr beliebt.

Trotz des traditionellen Namens ist dieses Muster keine klassisches Muster. Es gibt keine Vorlagen im Hôjô-jutsu oder anderen Handbüchern und Kampfkünsten, die diese Technik zeigen. Dieses Muster ist eeine moderne Interpretation traditioneller Themen im Shibari. Sie greift historische Bilder auf, nutzt aber Shibari-Ästhetik.

Ukete

Ukete (受け手) ist die Person, die das Seil empfängt. Alternative Begriffe wären „Bunny“ oder „Modell“. Ukete, wörtlich die „empfangende Hand“, ist ein geschlechtsneutraler Begriff und der Gegenbegriff zu Bakushi. Während „Modell“ sonst eher im professionellen Umfeld und „Bunny“ generell, aber mit Betonung auf den nicht-professionellen Gebrauch verwendet wird, ist Ukete noch ein recht neuer Begriff.

Ukete ist eine Rollenbeschreibung, die meist ausserhalb des Unterrichts verwendet wird. Ukete ist für alle Gender-Identifikationen problemlos möglich. Es gibt auch keine Unterscheidung zwischen Singular und Plural, Ukete bezeichnet also eine Einzelperson genauso wie eine Gruppe.

Dieser Begriff kann damit auf alle Geschlechtsidentitäten angewendet werden.

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