Seme (責め) bedeutet „Folter“ oder „Qual“ und bezeichnet restriktive oder schmerzhaftes Shibari. Traditionelle Muster, wie der Gyaku-Ebi (逆海老吊り) fallen zum Beispiel darunter.

Der Begriff stammt aus dem japanischen Mittelalter und kommt dort auch im Theater vor. Im Kabuki-Theater der Edo-Zeit wurden so besonders grausame Todes-Szenen bezeichnet. Damit ist die Verwandtschaft von Shibari mit dem Theater auch in dieser Technik erhalten.

Die künstlerische Darstellung von Schmerz ist also Teil der Performance.

Von Tadakiyo (Hasegawa Kanbee XIV) (1847–1929) - Museum of Fine Arts, Boston, online database, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38440404
Kabuki-Schauspieler auf einem Plakat

Schmerz spielt jedoch in Japan eine andere Rolle als in Europa und den USA. Im Westen wird Seme oft als „schmerzhaft“ verstanden. Ebenso wichtig sind Kompression, und restriktive Körperhaltungen. Zahlreiche Shibari-Stile enthalten darum komplexe Muster, die stetig steigende Seilspannungen enthalten.

Suspension mit Seme. K2-Salon, 2016.
Suspension mit Seme

Seme kann mit grosser emotionaler Nähe, aber auch sehr distanziert und „kühl“ eingesetzt werden. Es kommt in jedem Stil vor. Selbst im Yukimury-Ryû, das für sein „streichelndes Seil“ (Aibu-nawa, 愛撫縄) bekannt ist, spielt es eine Rolle. Seme hat also eine körperliche, emotionale und verbale Dimension.

Im Yukimura-Ryû spielt dabei die so genannte Kotoba-zeme eine wichtige Rolle. Dabei muss es nicht um verbale (gespielte) Herabwürdigung gehen, sondern es kann auch einfach eine starke emotionale Reaktion durch intensives Flüstern oder Atmen erzeugt werden. Es gibt eine Verbindung zwischen dem Kotoba-zeme und dem Einsatz des Ki (気), wenn beides mit dem Atem verbunden wird.